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Wirtschaftspolitik - Zwei Betrachtungsweisen
Mi, 3.5.23

Wirtschaftspolitik - Zwei Betrachtungsweisen

Disclaimer: Die Artikel die im Rahmen der Zitro veröffentlicht werden stellen weder die Position der Grünen Jugend BW noch die des Landesvorstands der Grünen Jugend BW dar. Die Artikel spiegeln alleinig die Meinung des*der Autor*in dar und sind nicht zu verallgemeinern.

Politik mit sozialer Verantwortung statt blindem Vertrauen in die Wirtschaft

Von Thomas Gönner
Unternehmen haben eine gesellschaftliche Verantwortung, die über den gesetzlichen Rahmen hinausgeht. Das bedeutet, dass sie nicht nur darauf achten sollten, keine Gesetze zu brechen, sondern auch aktiv dazu beitragen sollten, eine bessere Gesellschaft aufzubauen. Doch leider sind die meisten der aktuellen Corporate Social Responsibility Maßnahmen, die von vielen Unternehmen offensiv kommuniziert werden, kaum ihren Namen wert. Stattdessen handelt es sich oft um Greenwashing, geringe soziale Verantwortung gegenüber den Mitarbeiter*innen und der Gesellschaft sowie Steuervermeidung.

Es ist an der Zeit, dass wir mit dem blinden Vertrauen in Akteur*innen der freien Wirtschaft brechen. Systemische Steuervermeidung, der andauernde Kampf gegen faire Arbeitsbedingungen, faire Löhne und starken Klimaschutz trotz vollmundiger öffentlicher Versprechen haben uns das in den vergangenen Jahren mehr als deutlich gezeigt. Ein Beispiel dafür, wie das funktionieren kann, sind Unternehmen wie Patagonia und GoPro, die durch Spenden an soziale Zwecke offensiv Ihre angeblich so hohe gesellschaftliche Verantwortung zeigen. Doch warum machen Unternehmen das? Die Wahrheit dürfte in der großen Anzahl der Fälle einfach sein, wenn Unternehmen an soziale Zwecke spenden, dann müssen sie diese Gewinne nicht als Steuern an den Staat zahlen. Es wäre einfach zu jubeln, und auf den ersten Blick ist die Versuchung oft groß, bei solchen Aktionen, doch der Blick auf die Gesellschaftliche Ebene dieses Verhaltens sollte uns als Linke beunruhigen. Wenn Unternehmen durch Spenden selbst entscheiden wie Ihre Gewinne die normalerweise als Steuern an den Staat gegangen wären, dann entscheidet nicht mehr der demokratisch legitimierte Staat über den Einsatz von Mitteln die der Gesellschaft zu stehen, sondern einzelne superreiche und Großunternehmen.

Dasselbe gilt auch für die Debatte von individueller Verantwortung im Gegensatz zu systemischen Rahmenbedingungen. Die Verantwortung liegt bei den Unternehmen, die Produkte und Dienstleistungen anbieten. Sie müssen dafür sorgen, dass ihre Produkte und Dienstleistungen sozial und ökologisch verträglich sind und keine negativen Auswirkungen auf die Umwelt und die Gesellschaft als Ganzes. Wenn Unternehmen diese nicht erfüllen, liegt es in der Verantwortung eines starken Staates diese Rahmenbedingungen, zum Wohle der Gesellschaft, zu ändern.

Eine ähnliche Situation erleben wir aktuell beim angeblichen „Fachkräftemangel“. Während Arbeitgeber*innen nach einer Verlängerung der Arbeitszeit und anderen Standardabsenkungen durch die Politik rufen, gibt es schon lange keine Grundlage mehr für die Idee, mehr Arbeit ist gleich mehr Produktivität. Besonders paradox ist diese Diskussion, schaut man auf die Auswirkungen der aktuellen Krisen. Gewinne der großen Unternehmen steigen, die Reichen werden noch reicher. Arbeiter*innen verlieren dagegen an Reallohn und während politisch verantwortliche schnell Hilf Pakete für angeblich gefährdete Teile der Wirtschaft schnüren, auf Kosten der Allgemeinheit, schütten diese Unternehmen zeitgleich Rekordgewinne an Aktionär*innen aus.
Der angebliche Fachkräftemangel kann dazu beitragen, das Kräfteverhältnis zwischen Arbeitgeberinnen und Arbeitnehmerinnen zugunsten letzterer zu ändern. Es ist unsere Aufgabe als Grüne, uns mit den Gewerkschaften zu solidarisieren und für eine gerechtere Gesellschaft zu kämpfen und es ist unsere Aufgabe, wenn wir schon in einem kapitalistischen Wirtschaftssystem leben, dieses auch fair umzusetzen. Die aktuelle Logik „Kapitalismus für Unternehmensgewinne und Sozialismus für Unternehmensverluste muss endlich beendet werden!

Im Bereich des Klimaschutzes sind Maßnahmen wie eine CO2-Steuer mit staatlich organisiertem Ausgleich und Infrastrukturprojekte im Bereich erneuerbarer Energien, die kommunal organisiert werden und die Menschen am Gewinn beteiligen, unerlässlich. Allerdings liegt es nicht allein in der Verantwortung des Staates, die Wirtschaft CO2-neutral umzugestalten. Private Unternehmen müssen den Wandel selbst schaffen, während der Staat den Rahmen setzt und als wirtschaftlicher Akteur auftritt oder gemeinwohlorientierte Akteur*innen unterstützt. Die übermäßige Bereicherung durch einzelne durch staatliche Investitionen müssen unterbunden werden.

Es ist wichtig, dass der Staat eine klare Verpflichtung für Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit übernimmt, um ein Gegengewicht zur freien Wirtschaft zu schaffen. Dabei müssen staatliche Aufträge an deutlich radikalere Richtlinien in den Ausschreibungen gebunden werden, die auf Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit usw. ausgerichtet sind.

Unser Ziel als Grüne sollte es sein, einen starken Staat zu schaffen, der gemeinwohlorientiertes Handeln fördert. Die Wirtschaft ist nicht unser Feindbild, aber auch nicht unser natürlicher Freund. Wir müssen uns für deutlich stärkere Anreize und Ordnungspolitik einsetzen, um gemeinwohlorientiertes Handeln zu erreichen, das über die Oberflächlichkeit der Social Responsibility Maßnahmen von Unternehmen hinaus geht.
Besonders als Grüne dürfen wir dabei auch nie das Ungleichgewicht in den zur Verfügung stehenden Instrumenten von normalen Menschen und großen Unternehmen vergessen. Während die einen neben Lohnarbeit und Care Arbeit sich zivilgesellschaftlich agieren oder im besten Fall innerhalb einer Partei engagieren, agieren die anderen mit großen finanziellen Mitteln, um professionelle Lobbyvorhaben zu starten und diese mit allen erdenklichen Mitteln auszustatten. Unsere Verantwortung muss es dabei immer sein, dieses Ungleichgewicht auszugleichen, statt mit blinder Unterstützung den leichten Weg zu gehen und die fertigen, angeblich perfekten, Lösungen der Unternehmen zu übernehmen und staatliche Aufgaben der Gnade von Unternehmen zu übergeben.

Mehr Wirtschaft bitte! – Eine Anleitung für eine neue ökosoziale Wirtschaft

Von Daniel

Pandemie, Artensterben, Klimawandel und ein brutaler Angriffskrieg in Europa, die multiplen Krisen stellen Deutschland und Europa vor neue Herausforderungen. Wir sollten diese gemeinsam mit Wirtschaft und Gesellschaft angehen anstatt gegeneinander.

„Banken, besonders private und börsennotierte Institute, haben keine Verpflichtung, das Gemeinwohl zu fördern“ sagt 2010 der Deutschland-Chef der Investment Bank Goldman Sachs im Zuge der Bewertung der Finanzkrise. 12 Jahre später startet Russland einen Krieg in der Ukraine, Europa steht erneut vor einer Krise und es stellt sich die Frage werden die EuropäerInnen zusammenhalten? Wieder äußert sich ein Chef einer großen Bank öffentlich: „Erst das Land, dann das Unternehmen“. Diese Aussage steht in signifikantem Widerspruch zur Aussage des Goldman Sachs Manager im Jahre 2010. Man könnte jetzt natürlich argumentieren, dass Firmenlenker früher einfach ehrlicher waren. Aber in Anbetracht dessen, dass viele Firmen sich aus Russland zurückgezogen haben, obwohl sie nicht mit Sanktionen belegt wurden, zeigt da hat sich „etwas verändert“. Unternehmen müssen heute ethische, ökologische und moralische Standards erfüllen, um KonsumentInnen zu überzeugen und ArbeitnehmerInnen zu gewinnen.

Was ergibt sich daraus? Vor allem müssen wir als Grüne Unternehmen als Teil der Lösung für globale Probleme, insbesondere den Klimawandel, mitdenken wir müssen sie überzeugen, dass es sich lohnt in Co2-neutrale Anlagen, Produkte und Services zu investieren. So können Unternehmen ihre finanziellen Ressourcen für grüne Technologien einsetzen, ohne dass der Staat für diese aufkommen muss und so Spielräume hat, für staatliche Aufgaben und Zuwendungen. BASF beispielsweise baut gerade zusammen mit Vattenfall den weltweit größten Offshore-Windpark mit einer Leistung von 1,5 Gigawatt. Mehr als jedes noch laufende Kernkraftwerk in Deutschland.

Natürlich ersetzt dies keine kluge und vorausschauende Gesetzgebung, aber es ist ein elementarer Baustein auf einem Weg zur Erreichung der Klimaziele. Wenn wir erreichen, dass Unternehmen den Wandel begreifen und Klimaschutz als ihre Aufgabe oder gar als Teil ihres Geschäftsmodelles sehen, haben wir eine reale Chance die Klimaschutzziele noch zu erreichen.

Was also kann Politik, neben Appellen tun, um die neue Verantwortung von Unternehmen zu unterstützen? Anbei eine Anleitung mit konkreten Handlungsempfehlungen, die Politik und Unternehmen in Kooperation umsetzen sollten:

1. Ein hoher CO2-Preis mit sozial gerechtem Ausgleichsmechanismus

Der CO2-Preis bietet die Basis für eine Transformation hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft. Er sorgt dafür, dass Emissionen effizient eingespart werden und Externalitäten in bisheriges Handeln einfließen. Die Aussetzung der CO2-Steuererhöhung im Jahre 2023 auf Grund des russischen Angriffskrieges muss eine absolute Ausnahme bleiben. Gleichzeitig muss die Rückgabe der Einnahmen aus der CO2-Steuer im Rahmen des im Koalitionsvertrag vereinbarten Klimageldes zügig durch das Bundesfinanzministerium umgesetzt werden, damit nicht der Eindruck entsteht der Staat möchte sich zusätzlich bereichern und die Akzeptanz für Klimaschutz dadurch gemindert wird. Ein hoher CO2-Preis alleine, reicht aber nicht aus, um Klimaneutralität zu erreichen. Diese Einsicht teilt die Industrie mit unserer Partei, wie der Bundesverband der Industrie (BDI) in seiner Studie „Klimapfade 2.0“ feststellt. Aus diesem Grund müssen weitere Maßnahmen ergriffen werden.

2. Infrastrukturelle Wende

Der Ausbau der LNG-Flüssiggas Terminals hat gezeigt, dass schnelle Genehmigungsverfahren möglich sind, wenn der politische Wille da ist. Ähnlich muss es sich bei dem Auf- und Ausbau der Infrastruktur für die CO2-neutrale Gesellschaft verhalten. Wir müssen uns als Partei für schnelle Genehmigungsprozesse für Stromnetze, E-Autoladeinfrastruktur, Radschnellwege, Schieneninfrastruktur und Wasserstoffnetze einsetzen. In der Vergangenheit fehlte hier oft der Mut zum zügigen Vorangehen. Die Wirtschaft auf der anderen Seite muss einen Großteil der finanziellen und materiellen Ressourcen für diesen Ausbau bereitstellen. Die Gesellschaft als Dritter Akteur muss die Bereitschaft haben, diesen Wandel mitzutragen. Das bedeutet auch, dass im Zweifel die Bahnschnellfahrtrasse vor der eigenen Haustür verläuft. Wir als Partei des Wandels und des Fortschrittes müssen hier die Menschen vor Ort mitnehmen und überzeugen, in der Vergangenheit haben wir das nicht immer gut gemacht.

3. Die Industrie bei Innovationen politisch unterstützen

Anfang des Jahres 2022 haben nur wenige Ökonom*innen vorausgesagt, dass eine Einsparung von um die 20% an Erdgas ohne massive Produktionsausfälle und Kaskadeneffekte möglich sei. Auch wenn die Situation nach wie vor angespannt ist (insbesondere in energieintensiven Industrien), hat sich die Industrie als resilient erwiesen und um die 20% konnten eingespart werden ohne größere Produktionsausfälle. Ähnlich innovativ wie beim Gassparen zeigt sich die Industrie auch bei Technologien für Klimaschutz. Fast alle Technologien und Innovationen, die wir für die Klimaneutralität benötigen sind anders als von manchen politischen Entscheidungsträger*innen behauptet, bereits vorhanden, es scheitert bis lang an der fehlenden Umsetzung. Die Politik muss die Industrie dabei unterstützen die Technologien einzusetzen und die Wirtschaft die Bereitschaft zeigen diese auch einzusetzen.

4. Eine neue Rechtsform, die Verantwortung in den Mittelpunkt stellt

Eine ergänzende Möglichkeit wäre eine Rechtsform zu schaffen, die einen Anreiz zu mehr ökosozialem Gemeinwohl erzeugt. So hat das Unternehmen Patagonia im Sommer 2022 angekündigt alle Gewinne in soziale und nachhaltige Projekte zu investieren, anstatt nur den Shareholdern zu dienen. Dies war für viele in der Unternehmenswelt ein Paukenschlag. Ein solches Unterfangen ist aber mit hohen Hürden verbunden, sowohl in den USA wie in Deutschland. Die heutigen rechtlichen Unternehmensformen in Deutschland bieten nur schwerlich die Möglichkeit, dass der Eigentümer unternehmerisch tätig ist, ohne die Gewinne für sich selbst zu nutzen. Aus diesem Grund fordert Armin Steuernagel (Vorstand der deutschen Stiftung Verantwortungseigentum), dass wir eine solche rechtliche Möglichkeit in Deutschland herstellen. In einer Befragung können sich 42% aller Familienunternehmen, die in Baden-Württemberg die Mehrzahl der Unternehmen ausmachen, vorstellen, dass sie eine solche Rechtsform annehmen können und sich somit einem ökosozialen Zweck verschreiben. Dadurch kann die Innovationskraft von Wirtschaftsbetrieben für die Gemeinschaft genutzt werden.

Abschließend muss sich auch unsere eigene Partei öffnen und in einen Dialog mit Industrie und Wirtschaft eintreten, hier bietet sich insbesondere mit dem Ressort Wirtschafts- und Klimaschutzministerium und dem Minister Robert Habeck, die Gelegenheit. Die Klimakrise erfordert es von uns schnell und gemeinsam als Gesellschaft (und dazu gehören Unternehmen ebenfalls) zu handeln und nicht in ideologischen Grabenkämpfen zu verharren. Insbesondere wenn wir wie Ricarda Lang formuliert, künftig die neue Wirtschaftspartei in diesem Land sein möchten.

Quellen:

https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/unternehmen/boni-debatte-banken-sind-nicht-skrupellos-1911379.html

https://www.welt.de/wirtschaft/plus237644553/Deutsche-Bank-Chef-Sewing-Wir-koennen-nicht-nur-mit-Demokratien-handeln.html

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/basf-vattenfall-offshore-windpark-101.html

https://www.swp.de/panorama/co2-preis-erhoehung-2023-energie-heizen-gas-benzin-66373063.html

https://bdi.eu/publikation/news/klimapfade-2-0-handlungsempfehlungen-zur-studie/

https://www.bundesregierung.de/resource/blob/974430/1990812/04221173eef9a6720059cc353d759a2b/2021-12-10-koav2021-data.pdf?download=1

https://www.tagesschau.de/wirtschaft/unternehmen/produktion-gasverbrauch-industrie-101.html

https://www.econtribute.de/RePEc/ajk/ajkpbs/ECONtribute_PB_034_2022.pdf

https://www.zeit.de/zustimmung?url=https%3A%2F%2Fwww.zeit.de%2Fgreen%2F2022-09%2Fpatagonia-verantwortungseigentum-kapitalismus-armin-steuernagel

https://www.welt.de/politik/deutschland/article242945529/Ricarda-Lang-Die-Gruenen-sind-dabei-die-neue-Wirtschaftspartei-zu-werden.html