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Zoos: Zwischen Artenschutz und Tierquälerei
Di, 10.1.23

Zoos: Zwischen Artenschutz und Tierquälerei

„Zoos are prisons for animals – no one needs to see a depressed penguin in the flesh“, so der Comedian Romesh Ranganathan. (1)

Eine überspitzte komödiantische These oder doch traurige Realität? Sind Zoos eine Form organisierter Tierquälerei oder retten sie Arten und sind somit eine wichtige Bereicherung für eine bessere Welt? Von PETA bis hin zu Zoodirektor*innen gibt es hier verschiedene Meinungen und Ansätze zu der Thematik. Am Ende aber bleibt die Frage: wie sollte man mit Zoos weiter verfahren?

Das größte Argument, immer und immer wiederholt in jeder Diskussion, für Zoos, ist der Schutz und der positive Einfluss für gefährdete Arten. Die Fakten zeigen dabei jedoch eine andere Richtung. Die Organisation „Association of Zoos and Aquariums“, welche hauptsächlich in den USA agiert, legt für Ihre Mitglieder dar, von 8.500 Spezies, stehen nur etwa 800 auf der roten Liste. (2) Man muss also festhalten, selbst positiv betrachtet, bleibt das Argument nur valide für 10% der Arten in Zoos und rechtfertig nicht die Gefangenschaft für die anderen 90% der Spezies.

Zoos haben in der Vergangenheit jedoch auch Tierarten vor dem Aussterben gerettet, wie etwa den europäischen Wisent. Auf Basis von nur wenigen überlebenden Tieren in Zoos wurde es geschafft eine inzwischen stabile Population mit über 3000 Tieren zu erreichen. (3)

Zwar gibt es inzwischen einige Tierarten, deren Anzahl durch Zoos erheblich verbessert wurde oder deren Existenz gar durch Zoos gerettet wurde. Eine solche Auswilderung funktioniert jedoch mit vielen Tieren wie etwa Primaten, Raubkatzen oder Elefanten extremst schwierig bis gar nicht, da sie überlebenswichtige Fähigkeiten wie etwa Jagen meist nie gelernt haben.

Klar zu erkennen ist also, dass Zoos durchaus die Chance haben Tiere zu retten und teils das Aussterben ganzer Arten zu verhindern. Verhältnismäßig sind jedoch nur die wenigsten Spezies, welche in Zoos gehalten und zur Schau gestellt werden, wirklich vom Aussterben bedroht und selbst bei Tieren, deren Art bedroht ist muss, zunächst evaluiert werden, ob es überhaupt möglich ist diese auszuwildern.

Über 700 Millionen Menschen besuchen jährlich Zoos der WAZA (World Association of Zoos and Aquariums (4)) , die sich in ihrer Bildungsstrategie zu Umwelt- und Artenschutz unter anderem das Ziel setzt, verschiedenstes Publikum mit messbaren Lerneffekten zu dieser Thematik zu bilden. (5) Doch lernen wir in Zoos wirklich etwas darüber, wie wir Tiere und die Natur tatsächlich schützen können? Vorwegzunehmen ist hier, dass es zu der Thematik viele Studien gibt, die teils zu einem sehr unterschiedlichen Fazit kommen. So ergibt etwa eine Studie der AZA selbst unter der Leitung von John H. Falk 2007, dass Zoos erheblich dazu beitragen, dass die Besucher*innen ein besseres Verständnis für die Tiere und auch die Erhaltung deren Lebensgrundlage haben. (6) Starken Gegenwind erhielten Falk et. Al. nur drei Jahre später von Marino et. Al., die Methodiken wie etwa Wissen an reiner Selbsteinschätzung der Besucher*innen zu evaluieren kritisierten. (7)

Im Gegenzug zu Falk et. al. kommt eine Studie von Wissenschaftler*innen der University of Queensland und der Oregon State University zu einem deutlich differenzierteren Bild. Sie zeigen auf, dass verschiedenste Faktoren von den Gehegen der Tiere über deren Charisma bis zu der Lernmotivation der Besuchenden selbst einen Einfluss darauf haben, ob Menschen in Zoos etwas lernen oder nicht. (8)

Aufgrund der Diversität der Studien ist ein Fazit nicht ganz leicht, auch daher, dass es eine wissenschaftliche Streitfrage ist wie man Bildung misst. So stellt eine aus Finnland stammende Auswertung verschiedenster Studien unter anderem dar, nach wie vielen verschiedenen Konzepten und Methoden für Studien zum Thema Zoos gearbeitet und ausgewertet wurde. (9) Es ist also aus einer rein wissenschaftlichen Betrachtung nicht möglich festzustellen, ob Zoos wirklich dazu beitragen Menschen besser zu bilden und sich für die Erhaltung von Arten und der Natur einzusetzen. Wenn man also selbst als Kind und vielleicht auch später in Zoos war kann man sich hier also selbst die Frage stellen: „Habe ich in Zoos wirklich etwas gelernt?“

Fühlen sich Tiere im Zoo wohl und geht es ihnen wirklich besser als in der Wildnis, wie Zoos das gerne behaupten? Auch hier ist es schwierig das Wohlergehen eines Tieres zu messen. Meist werden hier Kriterien wie physische Gesundheit, Lebensspanne und Reproduktion der Tiere angewendet. Dita Wickins-Dražilová bezweifelt in seinem 2006 erschienenen Paper mit dem Titel „Zoo Animal Welfare“ (10), dass diese Kriterien ausreichen und erklärt somit jede Analyse die nur solche Kriterien beachtet als invalide.

Auch zu dieser Thematik gibt es eine Studie, welche in Zusammenarbeit mit der AZA entstand. Diese 2008 erschienene Studie kommt im Grunde darauf, dass das Wohlergehen von Tieren zwischen sehr schlecht und sehr gut gemessen werden kann und benennt wenige Aspekte, welche dazu beachtet werden sollten. (11)

Dies Studie ist also wenig weiterführend und bringt keinen Beweis dafür, dass es Tieren in Zoos gut geht.

Beide Studien agieren also eher auf einer theoretischen Basis, sie beschreiben wie man das Wohlbefinden von Tieren messen könnte und was hierbei die wichtigsten Kriterien sind. Aber wie geht es Tieren in Zoos wirklich? Das möchte ich anhand einiger spezifischer Tierarten evaluieren. Zur Vereinfachung werde ich jeweils nur auf einige Faktoren zu den Tieren eingehen.

Das erste Beispiel ist der Orca, eines der wohl intelligentesten Tiere dieses Planeten. Orca-Weibchen werden in freier Wildbahn bis zu 80 oder 90 Jahre alt und Orca-Männchen werden bis zu 50 oder 60 Jahre alt. (12) Im starken Kontrast dazu liegt das Durchschnittsalter der in Sea World gestorbenen Orcas bei 14. (13)

Das Verhalten von Orcas in Gefangenschaft ist laut einigen Wissenschaftler*innen stark gestört, so ist zunächst ein Faktor, dass Orcas viel zu wenig Platz in Betonbecken haben. Durch so wenig Fläche ist es den Orcas nicht möglich sich genug zu bewegen oder sich bei Konflikten zu distanzieren, was offensichtliche physische als auch psychische Auswirkungen auf die Tiere hat (14), so haben nahezu alle Orcas in Gefangenschaft eine umgeknickte Rückenflosse. (15) Der Dokumentarfilm „Blackfish“ aus dem Jahr 2013 zeigt, dass der Stress von Orcas in Gefangenschaft - hier spezifisch Tilicum - direkt zu Aggressivität gegenüber Menschen führt. Tilicum alleine tötete drei Menschen. (16) Insgesamt gab es zwischen 1968 und 2010 über 50 gewalttätige Zwischenfälle zwischen Menschen und in Gefangenschaft gehaltenen Orcas. (17)

Nur unter diesen wenigen Aspekten, die noch lange nicht das ganze Leiden der Tiere in Gefangenschaft darstellen, ist klar, dass Orcas kein gesundes Leben in Gefangenschaft führen können und durch die Gefangenschaft stark leiden.

Leider kann man ähnliche Verhaltensweisen bei Affen (18) oder auch Elefanten (19) in Gefangenschaft erkennen. Man kann also durchaus darauf schließen, dass Tiere mit höherer Intelligenz in Gefangenschaft leiden. Aber bringen uns Zoos relevante wissenschaftliche Erkenntnisse?

Zwischen 2008 und 2018 waren die Zoos des Verbandes der Zoologischen Gärten (VdZ) an über 1000 wissenschaftlichen Publikationen beteiligt. (20) Die Forschungsprojekte variieren stark und decken so Themen von der Reproduktionsforschung bis hin zur Auswilderung verschiedenster Tierarten ab. Das klingt zunächst uneingeschränkt gut, die Frage der Bedingungen und spezifisch des Wohlergehens der Tiere bleibt jedoch auch hier bestehen. Denn erlaubt einem der Aspekt der Forschung auch gleichzeitig jegliche Maßnahmen zur Durchsetzung dieser Forschungen? Ist es ethisch vertretbar Tiere aus einem egoistischen Grund einzusperren und sie als Versuchsobjekte zu verwenden? Hier kommt es stark darauf an, unter welchen Umständen diese Forschungen durchgeführt werden, denn wenn wir Tiere leiden lassen nur um unsere Forschungen voranzutreiben kann man wohl nur von Tierquälerei sprechen. Klar ist jedoch auch, dass wir in den letzten Jahrhunderten viele Forschungserkenntnisse aus der Tierhaltung unter anderem auch in Zoos gewinnen konnten, aus denen etwa Konklusionen über Intelligenz oder das Verhalten verschiedenster Tiere gezogen werden können. Die Abwägung, inwiefern ein wissenschaftlicher Ansatz für die Arbeit von Zoos ein positiver Aspekt für die Erhaltung von Zoos ist, steht also stark im Verhältnis zu den vorher genannten Aspekten und muss primär mit dem Wohlergehen der Tiere verglichen werden.

Was sind nun Zoos und sollten sie weiterhin in dieser Form bestehen bleiben? Der wichtigste Aspekt ist meiner Meinung nach zunächst, welches Tier in Zoos gehalten wird, denn wie die Vergangenheit beweist ist es durchaus möglich durch Zoos Arten zu retten und diese auch wieder zu einer gesunden Population zu führen. Es gibt hier jedoch deutlich bessere Alternativen als Zoos, denn durch Wildreservate oder Wildtierauffangstationen erreicht man das gleiche Ziel ohne Tiere in viel zu kleine Käfige zu stecken und leiden zu lassen. Tiere einfach nur einzusperren und sie auszustellen, so dass wir unsere Neugierde befriedigen können, ist in meiner Sicht einfach nur Tierquälerei. Wir entreißen die Tiere aus rein egoistischen Gründen der Natur, nur um dann in unseren Zoos zu sehen, wie die Tiere langsam aber sicher verenden. Ich verstehe nicht, wie es überhaupt eine Diskussion sein kann, ob man Tiere, welche in keinster Form vom Aussterben bedroht sind, in kleine Käfige einsperrt. Denn frei nach Ranganathan: Zoos sind Gefängnisse – niemand muss einen Pinguin mit Depressionen sehen!

Quellen

(1) Ges: 08.10.2022: https://www.theguardian.com/world/commentisfree/2017/mar/13/zoos-are-prisons-for-animals-no-one-needs-to-see-a-depressed-penguin-in-the-flesh
(2) Ges: 30.08.2022: https://www.aza.org/zoo-and-aquarium-statistics
(3) Ges: 30.08.2022: https://www.wwf.de/spenden-helfen/wwf-zoo-kooperationen/interview-zoos-koennen-wichtigen-beitrag-zum-artenschutz-leisten
(4) Ges : 23.09.2022 : http://zoos.media/zoo-facts/zoos-people-visit/?lang=en#:~:text=A%20comparison.,not%20members%20of%20this%20association.
(5) Ges : 23.09.2022 : https://www.waza.org/priorities/community-conservation/the-ize-waza-education-strategy/
(6) Falk et al., 2007: https://citeseerx.ist.psu.edu/viewdoc/download?doi=10.1.1.574.3479&rep=rep1&type=pdf
(7) Marino, Lilienfeld, Malamud, Nobis, Broglio, 2010 : https://www.wellbeingintlstudiesrepository.org/acwp_zoae/8/
(8) Ballantyne et al., 2007: https://www.researchgate.net/publication/43479046_Conservation_learning_in_wildlife_tourism_settings_Lessons_from_research_in_zoos_and_aquariums
(9) Nygren, Ojalammi, 2017: https://trace.journal.fi/article/view/66540
(10) Wickins-Dražilová, 2006: https://link.springer.com/article/10.1007/s10806-005-4380-2
(11) Hill, Broom, 2008: https://www.researchgate.net/profile/Donald-Broom/publication/26882778_Measuring_zoo_animal_welfare_Theory_and_practice/links/59f07422a6fdcc1dc7b521f5/Measurin…
(12) Ges: 08.09.2022: https://de.whales.org/wdc-ziele/delfinarien-schliessen/orcas-gefangenschaft/
(13) Ges: 08.09.2022: https://www.seaworldofhurt.com/features/lives-stolen-seaworld/
(14) Ges: 08.09.2022: https://www.nationalgeographic.de/tiere/2019/03/alles-fuers-entertainment-die-tortur-gefangener-orcas
(15) Ges: 09.09.2022: https://de.pets-guru.net/12011473-killer-whales-in-captivity-why-do-they-have-their-dorsal-fin-bent
(16) Ges: 21.09.2022: https://www.youtube.com/watch?v=QnAy0H4mmx0
(17) Ges: 13.10.2022: https://www.freemorgan.org/wp-content/uploads/2012/10/list_of_incidents.pdf
(18) Pastor-Nieto, Rosalía, 2015: https://link.springer.com/chapter/10.1007/978-1-4939-1960-4_12
(19) Rees, Paul A. 2020: https://books.google.de/books?hl=de&lr=&id=g6f_DwAAQBAJ&oi=fnd&pg=PP1&dq=elephants+in+captivity&ots=2VoKT5QsgA&sig=-vZ-KJmXzaArRt9ACrqmD6toi1c#v=onepage&q=elep…
(20) Ges: 08.10.2022: https://www.vdz-zoos.org/presse/pressemitteilungen/29052020-mehr-als-1000-studien-in-zoos

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Fynn
Zitro-Redaktion

Fynn ist seit Anfang 2020 bei der GJBW und in Böblingen aktiv. Seine Herzensthemen sind vor Allem die Klima,- Digital- und Außenpolitik, für eine gute Debatte ist er jedoch über jedes Thema zu haben.