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SuperStraight – und der verzweifelte Versuch, seine Transfeindlichkeit zu rechtfertigen
Mo, 2.8.21

SuperStraight – und der verzweifelte Versuch, seine Transfeindlichkeit zu rechtfertigen

Von Erik Mehrle - Man könnte meinen, im 21. Jahrhundert wäre die Menschheit langsam halbwegs aufgeklärt. Bis man TikTok öffnet und SuperStraight entdeckt. Eine neu erfundene Sexualität aus Amerika, die ihren Weg über Twitter in die Köpfe vieler Menschen gefunden hat.

Aber lasst mich anfangen mit einem kleinen Blick in die Geschichtsbücher und hinter die Entstehungsgeschichte von #SuperStraight.

Der Begriff wurde Ende Februar von einem TikToker ins Leben gerufen und ging sehr schnell viral. Das Video hatte in kürzester Zeit über einer Millionen Likes und hat diese Zahl sogar schnell verdoppelt, ist inzwischen aber gelöscht worden. Auf Twitter ging #SuperStraight in die Trends und erreichte so noch mehr Aufmerksamkeit. Die Idee wurde später von auch Incels (Zur Erklärung davon: https://www.youtube.com/watch?v=ArKsF6nbMHA) und rechtsradikalen auf dem Nachrichtendienst 4chan übernommen und noch weiterverbreitet. Was hier direkt mit der NS-Ideologie verbunden wurde. Es wurden zum Beispiel eigene Flaggen kreiert, die von 4chan Mitglieder*innen mit eigenen Symbolen oder der Abkürzung „SS“ (wie SuperStraight oder SS im nationalistischen Sinne) erweitert wurden. Um aber zu differenzieren: die globale Bewegung ist zwar in vielen Teilen transfeindlich – dazu gleich noch mehr – wird aber von dem Großteil nicht dafür verwendet nationalsozialistische Ideen zu verbreiten.

Aber was ist SuperStraight eigentlich?

Der Begriff wird als Selbstbeschreibung benutzt (wie Bi-, Homo- oder Pansexuell) und beschreibt, dass ein Mensch nur auf ein „biologisch, wahres Geschlecht“ steht. Als SuperStraighter Mann würde man zum Beispiel also nur Frauen daten, die biologisch klar als weiblich auf die Welt gekommen sind und bewusst keine Transfrauen sind. Das Ganze wird dadurch gerechtfertigt, dass es die eigene Sexualität sei, für die man ja nichts könne.

Das Ganze stellt gleich mehrere Probleme auf:

1. Die Unterscheidung zwischen Transfrauen und Frauen

2. Der Unterschied zwischen „Präferenz“ und „Sexualität“

3. Die pauschale und undifferenzierte Ablehnung von Transfrauen

Der erste Punkt ist keiner wirklichen Debatte wert und ist klar zu verurteilen. Transsexuelle Frauen sollten nicht in eine abgesonderte Gruppe gedrängt werden und dann nur wie Frauen zweiter Klasse behandelt werden. Transfrauen sind Frauen. So einfach ist es und eine Differenzierung ist nicht zeitgemäß, die in der Bewegung aber weit verbreitet ist. Schon im Ausgangsvideo fällt der Satz: „That’s not a real Woman to me.“ (DE: Das ist keine richtige Frau für mich.)

Ab dem zweiten Punkt wird es schon interessanter. Der Begriff „SuperStraight“ hat nämlich die Intention, gleichgestellt zu sein wie andere sexuelle Orientierungen. Nun ist es aber keine wirkliche Orientierung, sondern mehr eine persönliche Präferenz. Ein ganz simples Beispiel: wenn ich persönlich sagen würde: „ich steh voll auf braune Haare“, dann würde mich das nicht weniger hetero- oder homosexuell machen. Ich würde dadurch einfach nur eine Präferenz äußern, was ich persönlich attraktiv finden würde. Hier im konkreten Fall sagen die Anhänger*innen, sie finden bestimmte Sachen an transsexuellen Personen (meistens ist das primäre Geschlechtsorgan gemeint) nicht anziehend und lehnen deshalb eine romantische Beziehung mit der Person ab. Das wäre aber alles andere als eine neue Sexualität und mehr eine großgemachte Präferenz, die auf Twitter viral geht. In diesem Rahmen wäre das im Grunde auch vollkommen legitim. Es stimmt, dass man sich seine sexuellen Präferenzen nicht aussuchen kann und diese auch frei äußern und ausleben sollte. (Solange man damit selbstverständlich niemanden schadet, Pädophilie oder etwas in dieser Richtung ist hier bewusst ausgenommen!)

Das Ganze fließt nun direkt über in den dritten Punkt und zeigt die nächste Problematik: Zwar hat jede*r seine Präferenzen, SuperStraight formuliert diese nur grundlegend falsch. Im Gegensatz zu den braunen Haaren im oberen Beispiel, gibt es bei dem Begriff SuperStraight nämlich keine klare Abgrenzung an konkreten körperlichen Merkmalen wie: „Ich steh halt nicht auf Penisse“ oder Ähnliches. Die Abgrenzung erfolgt schon viel früher und bezieht dabei alle Transpersonen mit egal welchen Geschlechtsteilen mit ein. – Auch eine Transfrau kann eine Vagina haben! – Das macht die Aussage damit sehr undifferenziert und doch in gewisser Weise diskriminierend. Noch deutlicher wird es, wenn man Personen dann eben bewusst nicht wegen eines Geschlechtsteils ablehnt, sondern nur weil die Person halt transsexuell ist. Das hat dann rein gar nichts mehr mit persönlichen Präferenzen zu tun.

Was auch noch dazukommt: die Bewegung ist ein wahres Paradies für alle transfeindlichen Menschen. Damit mein ich nicht einmal nur gefährlich radikale Gruppierungen wie die kurz erwähnten Incels, sondern allgemein alle Menschen, die schon davor etwas gegen Transsexualität hatten. Der Hashtag ist ein Nährboden für alle Art der Anfeindungen, die dann alle mit dem gleichen „Ja ich darf doch auf das stehen, was ich will“ gerechtfertigt werden. Da macht es auch nicht besser, dass der Creator sich in verschiedenen Statements versucht rauszureden und sich dabei auch noch in die Opferrolle stellt.

Die Bewegung scheint wie ein wirrer Zusammenschluss von unwissenden Männern (SuperStraighte Frauen sind eine Minderheit), die damit irgendwie rechtfertigen wollen, wieso sie sich grundlos gegen Transpersonen stellen können. Alles angehaucht mit einem rechtsextremistischen Touch.

Was machen wir also jetzt daraus?

Zu sagen: „ich steh nicht auf dich, weil du bist ja transsexuell“ oder die Bevölkerung in „richtige“ und „falsche“ Frauen einzuteilen ist grundlegend falsch und zeigt, dass wir leider immer noch an vielen Schrauben in unserer Gesellschaft drehen müssen. Aber: jede*r kann trotzdem seine Präferenzen haben und darf selbstverständlich sagen, dass man ausgewählte Personen aus Grund X nicht als den*die Partner*in möchte. Eine Bewegung wie die von SuperStraight hilft nur dieser Erkenntnis überhaupt nicht weiter und sie ist auch keine Rechtfertigung für Diskriminierungen.

Was hier das Einfachste wäre ist die Theorie, die Tina in ihrem letzten Artikel (Link) am Ende angesprochen hat, in der man dem Geschlecht von vorneherein einfach weniger Bedeutung gibt.

Am besten ist es, Personen zu daten und keine Geschlechter.

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Erik Mehrle

Erik schreibt für sein Leben gerne, ist politikverliebt und grünversift. Vor allem der Klimawandel hats ihm (nicht) angetan. Er ist interessiert an allem Wichtigen und hat immer ein offenes Ohr für Debatten und Diskussionen mit allen außer Nazis.