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Nachhaltigkeit mit Wohlfühlfaktor
Fr, 9.10.20

Nachhaltigkeit mit Wohlfühlfaktor

Ein Besuch in Eddies Unverpacktladen in Mannheim
von Katja Raiher

Heutzutage ist der Wocheneinkauf im Supermarkt eine anstrengende Angelegenheit: Vor den Regalen wird gedrängelt, aus den Lautsprechern dröhnt Werbung und der Stress an der Kasse ist sowieso ein Alptraum. Nicht so bei Eddies.

Ich betrete den kleinen Laden und habe sofort das Gefühl in einem anderen Raum-Zeit-Gefüge gelandet zu sein. Sanft umhüllt mich leise Indie-Musik. Draußen hat es an die 30 Grad, hier ist es angenehm kühl. Meine Nase erschnuppert frisch gekochten FairTrade-Kaffee: Der Espresso einer Kundin ist fertig. Die andere stöbert konzentriert durch das Warenangebot. Maximal sechs Kund*innen dürfen sich gleichzeitig im Laden aufhalten. Von Hektik keine Spur. Hier fühlt sich Einkaufen eher wie eine Mischung aus Schatzsuche und Kunsthallenbesuch an.

Direkt vor mir stapeln sich Kisten mit saisonalem Obst und Gemüse, natürlich ohne jegliche Verpackung abseits der eigenen Schale. An der hinten liegenden Wand sind längliche Glasbehälter befestigt, darin Nudeln, Getreide, Müsli, Nüsse. Auf den unteren Regalen reihen sich unterschiedliche Glascontainer, ähnlich großen Marmeladengläsern, aneinander. Die lassen sich wunderbar mit der gewünschten Menge befüllen. Selbstverständlich lassen sich hier auch eigens mitgebrachte Behältnisse vollmachen. Ich wusste zunächst nicht, ob ich auch meine Tupperdose auspacken sollte – der Laden ist schließlich plastikfrei – aber Eddie beruhigt mich: „Grundsätzlich gilt für uns die Devise, wenn etwas schon produziert wurde und Ressourcen verbraucht wurden, dann sollte man die Lebensdauer davon so groß wie möglich halten.“

Eddie – bürgerlich Eduard Justus- und seine Frau eröffneten die kleine Einkaufsoase im Frühjahr 2018. Zwischen Hipster-Cafés und glutenfreien Bäckereien ist er auf der Seckenheimer Straße in der Schwetzingerstadt gut aufgehoben. „Zu Beginn hatten ein paar Leute noch Berührungsängste – bei den meisten sind die mittlerweile überwunden“, sagt Eddie, ein frischer Rothaariger um die Dreißig. Gemeinsam mit ihren sieben Mitarbeiter*innen packen Eddie und seine Frau persönlich mit an. Einige Stammkund*innen kennt er bereits beim Namen. Der enge Kund*inenkontakt sei ein Aspekt, der das Einkaufen hier besonders mache.

Gerade versuche ich jedoch allein zurechtzukommen. Ganz vorbildlich habe ich ein kleines Marmeladenglas von Zuhause mitgenommen. Eine unscheinbare Waage vor den Schaufenstern ermöglicht es mir, das Gewicht des Glases zu bestimmen. Ich schreibe 186 g auf den Deckel. An der Kasse wird das später abgezogen, bezahlt wird glücklicherweise nur der Inhalt.
Billig ist es hier leider nicht: 1,55 Euro pro 100 Gramm für Studentenfutter. Die reinen Nussmischungen kosten das Doppelte. Eddie ist das bewusst: Mit konventionellen Produkten könnten seine lokalen Demeter und Bio-Waren preislich nicht mithalten. Die großen Drogerie-Eigenmarken seien natürlich auch etwas kostengünstiger. Die bestellten aber auch in Größenverhältnissen, die der einzelne Unverpacktladen gar nicht lagern könne.

2014 eröffnete der erste Unverpacktladen in Deutschland. Mittlerweile gibt es mehr als hundert. Unterstützen wir sie im Kampf gegen Plastik und unnötigen Müll!

Das scheint die meisten Kund*innen aber nicht abzuschrecken. Viele seien normale Student*innen, die zwar in kleineren Mengen, aber regelmäßig bei ihm kaufen. Ich kann verstehen warum. Das eigene Gewissen um eine kleine Umweltsünde zu erleichtern ist bereits viel wert. Außerdem fühlt es sich wunderbar selbstbestimmt an, genau so viel Studentenfutter aus dem Behälter abzufüllen, wie ich will. Nicht in 200 oder 350 Gramm-Packungen zu denken. Jede*r kann hier individuell entscheiden, wie viel er*sie gerade braucht.

Interessiert laufe ich die restlichen Regale ab. Von Backpulver über Gummibärchen bis Olivenöl, alles in hübschen Glaskugeln und -dosen. Ich fühle mich so wohl, eine Ewigkeit schlendere ich bereits durch den Laden. Gut, dass ich heute nicht unter Zeitdruck stehe. Der passt einfach nicht in diese Atmosphäre.

Hinten in der Ecke Regale mit Haushaltsgegenständen. Alles um das eigene Heim möglichst verpackungs- und plastikfrei rein zu halten. Den Schwamm aus Recyclingstoff hole ich mir gleich doppelt, schließlich habe ich keine Spülmaschine. Daneben Kosmetik- und Hygieneprodukte in bunten Farben und angenehm duftend. Wer gerne neue Dinge ausprobiert ist hier richtig: Feste Shampoos und Deos aus dem Weck-Glas, Zahnpasta-Tabletten zum Zerkauen – warum eigentlich nicht? Ah, 11 Euro für 60 Gramm. Vielleicht probiere ich erstmal das DIY-Rezept aus dem Internet.

Vielen sind diese Produkte vielleicht gar nicht neu: Große Drogerieketten springen zunehmend auf den Öko-Trend auf. Immer öfter versucht auch der Mainstream nachhaltig zu sein. Damit erfüllt sich eines der persönlichen Ziele von Eddie: „Wir wollen als Vorbild vorangehen, um zu zeigen: Jede*r kann ein bisschen etwas für die Umwelt tun. Selbst, wenn es der Dieselfahrer ist, der bei uns einkauft. Wir möchten Leute inspirieren, wenigstens ein bisschen umweltbewusster zu leben.“ Dabei will er niemandem etwas aufzwingen. Jede*r solle sich selbst eine Meinung bilden. So wie er in seinem Laden auch nicht-vegane Produkte verkauft, darf der Verbraucher auch konventionelle Zahnpasta aus dem Supermarkt benutzen. Schließlich gilt für den Unverpackt-Laden: „Man soll sich gut fühlen bei Nachhaltigkeit“. Deshalb gönne ich mir zum Abschluss an der Kasse noch einen Dattel-Mandel-Keks.

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Katja Raiher
Mitglied der Zitro-Redaktion